Europaweit einzigartig!
Die Wohnüberbauung Dorenbach in Luzern ist ein Beispiel für das gute Zusammenspiel zwischen Bauherrschaft, Architekten, Generalunternehmer, Handwerker und Beteiligten aus der Industrie. Wo miteinander gesprochen und argumentiert wird, entsteht potentieller Raum für aussergewöhnliche Resultate. Beim Wohnprojekt am Dietschiberg setzte sich eine besondere Fassadengestaltung durch – ein Putz, der mit einer horizontal verlaufenden, groben Rillenstruktur und mit einem extra für diesen Zweck angefertigten Werkzeug verarbeitet wurde.
Die neue Wohnüberbauung «am Dietschiberg» steht an einmaliger Lage an erhöhter Lage in Luzern mit Blick auf Berge, See und Stadt. Der besondere Ort verpflichtet die Architekten Scheitlin Syfrig und Partner, sich einerseits mit der berühmten Luzerner Stadtsilhouette auseinander zu setzten und anderseits jedem Bewohner einen bestmöglichen Ausblick auf die grandiose Umgebung zu gewähren. Die senkrecht zum Hang stehenden kubischen Baukörper gliedern sich in auskragenden Balkonschichten, eingeschnittenen Dachloggen und in das Volumen integrierten Einstellhallensockel. Die ausgeprägte zinnenartige Loggiaschicht über vier Geschosse an der Südfassade ist ein Bauteil, das am Südufer der Luzerner Bucht Tradition hat und gleichzeitig die gesamte Überbauung von neun in einer Reihe stehenden Häusern rhythmisiert.
Künstlerisches Farbkonzept
Das erste und letzte Haus ist dabei durch seine Funktion und Lage leicht anders, jedoch mit den gleichen Bauteilen gestaltet. Die sieben dazwischen liegenden Gebäude sind nach aussen identisch und unterscheiden sich teilweise nur durch unterschiedliche Grundrissaufteilungen. Und dennoch erhält jedes Haus eine individuelle Note: Künstler Charlie Lutz hat ein Farbkonzept erarbeitet, das die skulpturale Erscheinung der Häuser mit verschränkten Kuben und ausgeschnittenen Volumen durch gezielte Farbinterventionen verstärkt erscheinen lässt. Die Farbabfolge über die neuen Häuser ist dem goethischen Farbkreis entnommen – jedoch nicht in der Farbreihenabfolge, was zu einer Regenbogenfarbe geführt hätte, sondern immer komplementär zur vorangehenden Farbe. Damit sich die Bewohner nicht mit einer zu starken Farbe in den Balkonen konfrontiert sehen, sind die Farben dort bewusst «aufgeweicht» worden. Auf den Stützmauern bei den Eingängen und in den Treppenhäusern wurden jedoch satte Farben angewendet.
Grobe Strukturputze wieder im Aufwind
Eine besondere Aufmerksamkeit gebührt der Verputztechnik. Die in den letzten Jahren von den Architekten geforderten möglichst glatten Verputzoberflächen scheinen ein Ende zu haben. Man besinnt sich wieder auf alte Putztechniken wie zum Beispiel Kratz- oder Strukturputz. Zwar sind mit den heutigen Konstruktionsweisen im Zusammenhang mit verputzten Aussendämmungen die Möglichkeiten bei der Putzverarbeitung noch eingeschränkt. Die Lieferanten und Unternehmer von verputzten Aussendämmsystemen sind aber gewillt, dass mehr als nur ein 1.5mm-Abrieb auf die Fassade appliziert werden kann. So konnte auch bei der Wohnüberbauung am Dietschiberg in enger Zusammenarbeit zwischen den Architekten, dem Systemlieferanten Sarna-Granol, den Keimfarben und dem Unternehmer MVM eine Putzfassade entwickelt werden, die hohe architektonische und handwerkliche Qualität aufweist. Bis die von den Architekten gewünschte murale und massive Erscheinung der Gebäude erreicht wurde und die Bauherrschaft und Generalunternehmung von der Idee überzeugt werden konnten, mussten viele Abklärungen und Bemusterungen durchgeführt werden. Man probierte verschiedene Techniken aus, stempelte den Putz oder bearbeitete diesen in verschiedene Richtungen; man baute extra Werkzeuge, damit das Strukturbild des Putzes schliesslich den Vorstellungen voll entsprach. Auch diskutierte man über Qualitätssicherung bei der von der Bearbeitung abhängigen Struktur. Die zuletzt sichtbare handwerkliche «Handschrift» des Arbeiters war ausdrücklich erwünscht. Die plastischen Formen des Dietschiberghügels, zusammen mit den skulptural massiven Baukörpern und dem leichten Spiel der Farben, ergeben ein harmonisches, spannungsvolles Gleichgewicht.
Herausforderung des Handwerks
«Im Vorfeld der Offertphase bei der verputzten Aussenwärmedämmung wurde ich (Oskar Vonmoos, MVM AG, Anm. Red.) von Architekt Marc Syfrig kontaktiert und auf Möglichkeiten in der architektonischen Fassadengestaltung bei Verputzen angesprochen. Anhand von Skizzen wurden wir mit Verputzvarianten konfrontiert, die einen neuen und wieder entdeckten Weg für unser Handwerk bedeuten. In den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kamen Fassadengestaltungen zur Anwendung, die gewisse Analogien zu den Vorschlägen des Architekten aufzeigten.
Die Vergangenheit ermunterte mich, neue Wege in der Verputzgestaltung zu beschreiten. Dabei galt hauptsächlich, unsere Handwerker, Fassadenisoleure und Verputzspezialisten, zu motivieren. So wundert es nicht, dass im Zusammenhang mit dem Projekt Dorenbach schon nach ersten Musterversuchen bei unseren Handwerkern Begeisterung für die Herausforderung aufgekommen ist. Dazu gehörte auch, die Systemlieferanten Sarna-Granol und Keimfarben zusammenzuführen und die entscheidende Frage der Kompatibilität zu prüfen.
Nach dieser ersten und wichtigen Phase der Abklärungen und nach diversen Bemusterungen entschieden wir uns, ein Grossmuster in Form einer Koje zu erstellen mit dem Ziel, die Partner für die Fassadenarchitektur zu sensibilisieren. Der Generalunternehmer Anliker AG wie die private Bauherrschaft mussten von der Idee des groben Rillenputzes überzeugt werden. Im Werkhof der Firma Anliker bearbeiteten wir eine Fassadenpartie von 200 m2, was nebst Kostensicherheit auch einen konkreten Eindruck der zu erwartenden Ästhetik ergab und die Beteiligten ermutigte, den Weg der besondern Fassadengestaltung mit Überzeugung zu beschreiten.
Verputzaufbau und Werkzeugentwicklung
Das Fassadendämmsystem von Sarna-Granol bildet den Untergrund. Unterputz für den Aufbau ist ein aufgerauter, gebürsteter Einbettmörtel. Danach folgt Universalputz von Keim, appliziert in zwei Lagen. Die zweite Lage erhält die Bearbeitung in der gewählten Rillenstruktur. Darauf folgen ein Grund- und ein Schlussanstrich mit einem verdünnten Fixativ. Das Werkzeug musste extra entwickelt werden. Die Glättkelle wurde mit genau bemessenen Rillen und in der richtigen Grösse gefertigt; Grösse und Rillenform wurden mit den ausführenden Handwerkern abgesprochen.
Natürlich war anfänglich eine gewisse Nervosität bei der Applikation nicht zu verleugnen. Schritt um Schritt wuchs allerdings die Routine des Teams, was zum bekannten Resultat führte, auf das wir als ausführende Handwerker stolz sind. Die Fassadengestaltung beim Objekt Dorenbach hat uns ermuntert, auch in Zukunft das Gespräch mit Architekten zu suchen und kreativ zu versuchen, neue Wege in der Putz- und Farbgestaltung zu beschreiten.»
Text Ruedi Bühlmann, Scheitlin-Syfrig+Partner; Oskar Vonmoos, MVM AG